Text: Andreas Attinger
„Nach dem Beschluss der Jugendsynode zu den Modellprojekten war für uns schnell klar: Wir wollen helfen, Partizipation neu- und weiterzudenken“, erzählt Dirk Riechert, Leiter des Jugendreferats des Kirchenkreises . Dank der landeskirchlichen Förderung sowie einem Zuschuss des Kirchenkreises habe man die Sozialpädagogin Laura Offermanns in Vollzeit einstellen können. Ihre Aufgabe: Mit Jugendlichen eine On-Off-Jugendkirche nach deren Vorstellungen aufbauen.
Damit das gelingt, legt Offermans Wert darauf, sie immer wieder nach ihren Wünschen und Bedürfnissen, nach ihren Hobbys und Lebensräumen zu fragen. Ihre Erfahrung dabei: Es herrscht durchaus Skepsis, mal ganz anders als gewohnt zu denken. „Aber das ist klar. Wer immer nur Kartoffeln gegessen hat, weiß ja auch nicht, wie Nudeln schmecken.“ Und manche Jugendliche seien es nicht gewohnt, gefragt zu werden. „Hier gilt es, immer wieder zu bestärken und eine persönliche Beziehung aufzubauen.“
Dennoch hat Offermanns schon einiges erfahren: Kirchenferne Jugendliche halten die Kirche für deutlich versteifter als kirchennahe. Einig sind sich alle, dass lange Predigten ganz und gar nicht jugendkonform sind. „Sie wünschen sich mehr direkten Bezug zur ihrer Lebenswirklichkeit.“ Zudem hätten Jugendliche wenig zu sagen. Der einheitliche Tenor: Es muss sich etwas ändern. „Sie tun sich aber noch schwer zu sagen, was genau.“
Umgesetzt werden die Ideen und Projekte als Teil einer On-Off-Jugendkirche, in der sich laut Offermanns die digitale und analoge Welt ergänzen. „Entscheidend ist, dass wir da anzutreffen sind, wo Jugendliche sind. Und das ist heutzutage vor allem auch der digitale Raum.“ Als Beispiele nennt sie Soziale Medien wie Instagram oder den Messenger WhatsApp. Gleichzeitig bleibe der analoge Raum wichtig.
Die Ideen reichen von (digitalen) Jugendgottesdiensten, gemeindeübergreifenden Freizeiten und Events wie Kinoabenden sowie Kooperationen mit Schulen bis hin zu Online-Angeboten auf einem Discord-Server . „Denkbar sind außerdem hybride Veranstaltungen wie eine live gestreamte Kochshow, an der Jugendliche präsent teilnehmen“, sagt Riechert. Mit solchen Angeboten könnten kirchenferne Jugendliche angesprochen werden. „In Arbeit ist ein neues Konzept für den Konfirmationsunterricht“, berichtet Offermanns. Der wöchentliche Unterricht werde durch ein Konficamp sowie ein paar Samstagseinheiten ersetzt. „Neben dem inhaltlichen Input erfahren sie dort viel Gemeinschaft.“
Dem Jugendpartizipationsprojekt liegt eine Art „Campus-Modell“ zugrunde. Bedeutet: Es wurde zwar ein kleines Ladenlokal in Erkelenz unweit einiger Schulen als „Keimzelle“ für Ideen angemietet. Angebote sollen aber an Orten stattfinden, an denen sich Jugendliche sammeln. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass der Kirchenkreis sehr weitläufig ist.
Nach den Angeboten wird direkt Feedback eingeholt. „Die Kritik greifen wir beim nächsten Mal auf“, sagt Offermanns. Damit solle den Jugendlichen verdeutlicht werden: Eure Meinung zählt. Für Riechert heißt Partizipation zudem, nicht zu viele Vorgaben zu machen. „Wenn wir jetzt eine Palette an Angeboten hätten, die wir den Jugendlichen vorlegen, würden wir dem Grundthema nicht gerecht werden.“ Denn Partizipation bedeute ja gerade, dass Jugendliche aktiv gestalten könnten.
Das führt Riechert zu einer weiteren Grundsatzfrage: Suchen wir junge Leute für unsere Themen oder suchen wir Jugendliche mit ihren Themen? „Im Moment versuchen wir als Kirche noch zu oft, junge Menschen zu finden, die uns helfen, Kirche so zu erhalten, wie sie ist.“ Man brauche aber Menschen, die Kirche anders gestalteten. „Dabei müssen wir es aushalten, dass sie nicht nur in Nuancen, sondern ganz anders werden kann.“
Das Projekt sei auch keine Konkurrenz zur Gemeindearbeit. Vielmehr sollten Ressourcen gebündelt werden. Entscheidend sei es, den Gemeinden die Angst zu nehmen, Jugendliche dadurch verlieren zu können – und ihnen die Vorteile aufzuzeigen. Beispielsweise sammelten die Jugendlichen Erfahrungen, die sie wiederum in ihrer Gemeinde einbringen könnten. Und es bestehe die Chance auf Synergieeffekte, wie Riechert am Beispiel Jugendgottesdienste zeigt: „Alle treibt die Frage um, wie sie attraktiver werden können. Warum also kein Konzept entwickeln, das gemeindeübergreifend funktioniert?“
Erste Fortschritte sind laut Offermanns bereits zu erkennen: „Trotz der Startschwierigkeiten durch Corona konnten wir schon Jugendliche und Mitarbeitende in fast allen Gemeinden erreichen.“ Geht es nach Riechert, soll sich die Projektarbeit nun schnell im Kirchenkreis ausbreiten – und immer wieder weitergesponnen und evaluiert werden. „Wir müssen die Jugendlichen zu Überzeugungstätern machen und die Zukunft der Kirche gemeinschaftlich denken. Dann kann Jugendarbeit ein Vorreiter für Veränderung sein.“