Text: Andreas Attinger
Bilder: Kirchenkreis Kleve
Jugend mischt mit (4): Jugendlichen mehr Teilhabe in der Kirche zu ermöglichen – das ist das Ziel von vier Modellprojekten der Evangelischen Kirche im Rheinland. In unserer Serie „Jugend mischt mit“ stellen wir sie vor. Im vierten und letzten Teil blicken wir in den Kirchenkreis Kleve. Dort soll ein „fahrendes Jugendzentrum“ samt professioneller Technik neue Möglichkeiten der Jugendarbeit schaffen und die Kirchengemeinden vernetzen.
„Als die Landeskirche 2019 angekündigt hat, die Modellprojekte auszuschreiben, haben sich Jugendmitarbeitende in unserem Kirchenkreis ausgetauscht“, erinnert sich Tristan Hartmann an den Ursprung des Klever Modellprojekts. Dabei habe eine Jugendleiterin von ihren Plänen berichtet, sich privat einen Campingwagen anzuschaffen. „Da kam die Idee auf, ein Wohnmobil anzuschaffen, mit dem wir mobile Jugendarbeit vor Ort anbieten können‘“, berichtet der Presbyter und ehrenamtliche Jugendmitarbeiter aus der Kirchengemeinde Kevelaer . Eine Idee, die der Struktur des Kirchenkreises Kleve zu Gute kommt. „Die Wege sind weit und nicht jede Gemeinde hat eine Jugendleiterin oder einen Jugendleiter.“
Und so schafft sich der Kirchenkreis im Zuge des Projekts ein Wohnmobil an – mit dem Ziel, jungen Menschen damit neue Formen der Teilhabe zu ermöglichen. Künftig soll es für Events, Gottesdienste, Workshops oder Ausflüge genutzt werden können. „Außerdem soll das Projekt zu einer besseren Vernetzung der Gemeinden beitragen“, sagt Benjamin Wefers, Jugendleiter der Evangelischen Kirchengemeinde Xanten . Zusammen mit Hartmann ist er Teil der sechsköpfigen Planungsgruppe, die den Hut des Projekts aufhat.
„Wir sind für alles Organisatorische zuständig“, berichtet Wefers. Bedeutet: Das Team übernimmt die Koordination, kümmert sich etwa um den TÜV und Reparaturen des Wohnmobils. „Die Jugendlichen wiederum führen die Aktionen aus“, erklärt Hartmann. Enge Vorgaben würden dabei bewusst keine gemacht. Zudem soll das „fahrende Jugendzentrum“ im Sommer mit der notwendigen Technik ausgestattet werden, um Podcasts und Videoblogs produzieren zu können. „Damit wollen wir die Medienkompetenz der Jugendlichen fördern“, sagt Hartmann. Nicht zuletzt soll das Wohnmobil zu einer Art mobilen Öffentlichkeitsarbeit werden. „Man merkt schon jetzt, dass die Leute schauen, wenn man damit unterwegs ist“, fügt der 22-Jährige an.
Dass das Wohnmobil Aufmerksamkeit erregt, ist kein Wunder: Außen stehen die Schriftzüge „Jesus“ und „Youthwork“. Zu sehen sind auf dem blau und rosa gestalteten Fahrzeug zudem ein Pfarrer und eine Pfarrerin. Den Jugendlichen ist es laut dem Team wichtig gewesen, dass Kirche erkennbar ist und nicht der Eindruck entsteht, es handelt sich um ein städtisches Angebot. Gestaltet wurde das Wohnmobil zusammen mit dem Graffitikünstler Marcel Veneman. Er habe mit den Jugendlichen Skizzen angefertigt und sie in die Welt des Sprayens eingeführt. „Veneman arbeitet unter dem Künstlernamen Sprühliebe regelmäßig mit Kindern und Jugendlichen zusammen“, weiß Tristan. Einen Einblick in dessen Arbeit liefert der Instagram-Kanal @spruehliebe . „An zwei Workshop-Tagen haben die Jugendlichen mit ihm das Fahrzeug abgeklebt und innen wie außen besprüht und gestrichen“, ergänzt Wefers. Auf Grund der Corona-Beschränkungen habe jede Gemeinde nur fünf Jugendliche mitbringen dürfen. „Das war natürlich etwas schade.“
Ohnehin hat die Corona-Pandemie das Projekt wortwörtlich ausgebremst. Weil es vor allem auf Präsenzangebote abzielt, war ein Umzug in die virtuelle Welt schwierig. „Die Euphorie war am Anfang riesig. Das erste Jahr ging gut voran, viele Jugendliche haben sich aktiv beteiligt, Ideen eingebracht“, blickt Wefers dennoch zufrieden zurück. Nun hofft er, dass das Projekt parallel zu den Corona-Lockerungen wieder Fahrt aufnimmt. Erste Aktionen stehen bereits in den Startlöchern. Im Juli wird das Wohnmobil beispielsweise von den Gemeinden Xanten (für Zehn- bis 14-Jährige sowie für ab 14-Jährige) und Sonsbeck (ab 14 Jahren) zu einem Escape Room umfunktioniert.
Dieses Angebot steht sinnbildlich für eines der Kernziele des Projekts: „Wir möchten kirchenfernen Jugendlichen zeigen, dass Kirche mehr ist als der sonntägliche Gottesdienst“, sagt Wefers. Entscheidend sei es, sich an ihre Lebenswelt anzupassen. „Das machen wir eigentlich auch schon häufig. Aber ich habe das Gefühl, dass viele das Vorurteil haben, bei uns vor allem auf alte, verkrustete Strukturen zu treffen“, berichtet der 26-Jährige. Dem stimmt Hartmann zu: „Dieses eingestaubte Image wollen wir widerlegen.“
Auch deshalb sollen die Jugendlichen das Lenkrad des Projekts übernehmen. Dabei sei es wichtig, dass sie das Wohnmobil als ihr „Jugendheim auf vier Rädern“ wahrnehmen. „Sie können es dort hinfahren, wo sie es haben wollen, und selbst entscheiden, wie und wofür sie es nutzen wollen“, betont Hartmann. Die Jugendlichen sollen sich hier austoben können – mit neuen Möglichkeiten und ortsunabhängig. „Damit wollen wir auch aus unserer kirchlichen Blase herauskommen, beispielweise durch Beteiligung an Veranstaltungen wie Stadt- oder Schulfesten. Wir wollen überall dort sein, wo Kirche sich beteiligen kann“, gibt Hartmann die Fahrtrichtung vor.